Urteil C-264/20: Airhelp Limited gegen Austrian Airlines AG
Home > Urteil C-264/20: Airhelp Limited gegen Austrian Airlines AG
Im Fokus des Urteils C-264/20 zwischen Airhelp Limited und Austrian Airlines AG steht nicht nur die Frage, ob eine Kollision auf dem Rollfeld als „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 zu bewerten ist. Von besonderer Bedeutung ist auch, wie Luftfahrtunternehmen mit der Umbuchung von Passagieren auf alternative Flüge umgehen müssen, um ihrer Pflicht zur Gewährleistung von Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gerecht zu werden. Das Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Korneuburg bringt diese Thematik im Kontext eines annullierten Fluges zur Diskussion.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass eine Kollision, die zur Annullierung eines Fluges führt, als „außergewöhnlicher Umstand“ eingestuft werden kann, der das Luftfahrtunternehmen prinzipiell von der Ausgleichszahlung befreit. Jedoch ist diese Befreiung von der Ausgleichspflicht an strenge Kriterien gebunden, insbesondere wenn es um die Umbuchung auf alternative Flüge geht.
Das Gericht betont, dass die Umbuchungsmaßnahmen gründlich zu prüfen sind. Eine bloße Umbuchung auf den nächsten verfügbaren Flug des gleichen Luftfahrtunternehmens, der das Ziel am Tag nach der ursprünglich geplanten Ankunft erreicht, genügt nicht automatisch den Anforderungen der Verordnung. Vielmehr müssen Luftfahrtunternehmen nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um den Passagieren eine frühestmögliche anderweitige Beförderung anzubieten. Dazu gehört die Prüfung aller verfügbaren direkten oder indirekten Flugoptionen – auch bei anderen Fluggesellschaften –, die den Passagieren ermöglichen würden, ihr Ziel mit weniger Verspätung zu erreichen.
Das Gericht macht deutlich, dass die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen nur dann entfällt, wenn keine realisierbare Alternative zur frühestmöglichen Beförderung existiert oder die Umsetzung einer solchen Alternative für das Unternehmen unzumutbare Opfer bedeuten würde. Diese Prüfung erfordert eine Einzelfallbetrachtung, wobei das Luftfahrtunternehmen den Nachweis zu erbringen hat, dass es sämtliche Optionen zur Minimierung der Unannehmlichkeiten für die Passagiere ausgeschöpft hat.
Fazit:
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und umfassenden Prüfung von Umbuchungsmaßnahmen durch Luftfahrtunternehmen im Falle von Flugannullierungen aufgrund außergewöhnlicher Umstände. Es verdeutlicht, dass die Rechte der Fluggäste auf Ausgleich und Unterstützung hochgehalten werden, selbst wenn unvorhersehbare Ereignisse zur Annullierung führen. Durch die Festlegung klarer Kriterien für die Zumutbarkeit von Ersatzbeförderungen stärkt das Urteil die Position der Fluggäste und gewährleistet, dass ihre Interessen im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung effektiv geschützt werden.
Buchen Sie einen Rückruf
Füllen Sie unser Formular aus und einer unserer Experten wird sich bei Ihnen melden.
Share this article
Hast du eine Frage?
Bitte füllen Sie dieses Formular aus, um eine Anfrage zu senden. Ihre Nachricht wird an ein Mitglied unseres Teams gesendet.
Zusammenhängende Posts
Die Erweiterung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes: Neue Regulierungen und Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen
Ab dem 01.01.2024 wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in seinem Geltungsbereich erweitert und erfasst damit mehr mittelständische Unternehmen: Seit dem 01.01.2023 galt das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern, nun sind auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Angestellten betroffen.
Dawn Raids: Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Dawn Raids sind ein entscheidendes Instrument der Kartellbehörden zur Aufdeckung und Untersuchung von Kartellrechtsverstößen. In Deutschland können solche Durchsuchungen sowohl von der Europäischen Kommission als auch vom Bundeskartellamt durchgeführt werden. Sie finden in der Regel unangekündigt und zu Geschäftsbeginn statt, was den Behörden den Überraschungseffekt sichert und den betroffenen Unternehmen wenig Zeit lässt, sich auf die Situation vorzubereiten.
Aktuelle ESG-Entwicklungen und Themen in der Luftfahrtindustrie
Die Luftfahrtindustrie steht vor erheblichen Herausforderungen im Bereich Environmental, Social, and Governance (ESG). Angesichts der zunehmenden Besorgnis über den Klimawandel und die soziale
Erwerb von Insolvenzmasse in Deutschland: Attraktive Investitionsmöglichkeiten mit Riskien
Der Erwerb von Insolvenzmasse ist mit besonderen Herausforderungen und Risiken verbunden. Die Vermögenswerte können sich in schlechtem Zustand befinden, erhebliche Investitionen in Reparaturen und Instandhaltung erfordern und möglicherweise mit versteckten Verbindlichkeiten verbunden sein, wie beispielsweise Umweltverbindlichkeiten, die zu unerwarteten Kosten führen können. Worauf sollten Sie bei der Due Diligence achten und wie können Sie die behördlichen Kontrollen erfolgreich meistern?